Zwischen Wirtschaftsfaktor und Klimaschutz
Begehung des Reichenhaller Stadtwaldes am Müllnerberg
Bei einer gemeinsamen Begehung des Reichenhaller Stadtwaldes am Müllnerberg mit Stadtarchivar Dr. Johannes Lang, dem Stadtförster Christian Rauscher und dem Umweltreferenten des Stadtrates Michael Nürbauer ließ sich Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung die kulturhistorische Bedeutung des Stadtwaldes sowie die aktuelle Situation aus forstlicher Sicht erläutern.
Stadtarchivar Dr. Lang gab zunächst einen kurzen Überblick über die Geschichte des Stadtwaldes. Demnach wurde der heutige Distrikt „Müllnerberg“ in den Quellen als „Gemeine[s] Stadtholz“ bezeichnet. Wie Dr. Lang vermutet, gelangte dieser Wald – so wie der einst zur Stadt gehörige Stadtberg am Lattengebirge – wohl im Verlauf des Mittelalters ins Eigentum der Stadt Reichenhall. Wegen der guten Bringbarkeit wurde dieser Wald für die Holztrift verwendet, worauf noch heute ein vermutlich aus dem 16./17. Jahrhundert stammender, zum Teil in Stein ausgeführter denkmalwürdiger sogenannter Schmierweg – eine Art Holzrutsche – auf der Südostseite des Müllnerberges hindeutet.
Da Wälder als existenziell notwendige Rohstoffquellen für beispielsweise Brennholz, Bauholz oder Schindelholz galten, versuchten mittelalterliche Städte grundsätzlich, sich umliegende Forste als Eigentum zu sichern, um einen gewissen Grad der Autarkie zu erlangen. „Im speziellen Reichenhaller Fall kamen die enorme Baulast der riesigen, bis in das 18. Jahrhundert aus Holz bestehenden Triftanlage sowie alle gemeindlich auszuführenden Baumaßnahmen hinzu“, erklärte der Stadtarchivar, „schließlich sollte Holz für Notzeiten sämtlichen Bürgern zur Verfügung stehen.“ Zuletzt sei dies in den Jahren 1940 bis 1945 verstärkt der Fall gewesen. Die stadteigenen Wälder wurden zunächst selbstständig bewirtschaftet, ehe 1908 die Betriebsführung per Vertrag von der Staatsforstverwaltung übernommen wurde. Damit leitete Dr. Lang auf den Bericht des Stadtförsters Rauscher über, der aus forstlicher Sicht insbesondere auf die Borkenkäferproblematik sowie auf das Thema der Wiederaufforstung einging. Wie Rauscher erklärte, sind die Wälder der Stadt Bad Reichenhall überwiegend wichtige Schutzwälder und können Auswirkungen des Klimawandels abmildern bzw. helfen, die Schäden zu minimieren. Hier nannte er die Beispiele Wasserrückhalt, Steinschlag, Muren oder auch Lawinen. Leider seien die Wälder aber zeitgleich stark vom Klimawandel betroffen. Daher sei es wichtig, hier die Weichen richtig zu stellen und den Wald fit für die Zukunft zu machen.
Um die Borkenkäferproblematik am Müllnerberg zu veranschaulichen, wurden insbesondere zwei Flächen aus dem Jahr 2020 begutachtet, in dem mehrere Hundert Kubikmeter waldschutzwirksam aufgearbeitet wurden. Hier wurden von der motormanuellen Entnahme über die Handentrindung bis hin zur Entnahme durch Hubschrauber alle möglichen Maßnahmen getätigt. Dies sei aufgrund der rechtlichen Verpflichtung notwendig und auch forstlich sinnvoll gewesen, denn die Stadt sei hierbei nicht nur zur sachgerechten, sondern auch zur vorbildlichen Forstwirtschaft verpflichtet, gab Rauscher zu bedenken. Trotz Förderung sei der Stadt Bad Reichenhall als Waldeigentümerin zwar ein kleiner finanzieller Verlust geblieben, dennoch hätten sich die Maßnahmen aus Rauschers Sicht auch positiv ausgewirkt, denn der Borkenkäferbefall ging im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück. Wichtig sei es aber, dass weiterhin nach Borkenkäfern bzw. Bohrmehl gesucht werde, denn aktuell lege der Borkenkäfer gerade die zweite Generation an. Zudem müsse weiterhin waldschutzwirksam gehandelt werden, dies geschehe derzeit durch Entrindung und Einschlag mit entsprechend zügiger Abfuhr.
„Besondere Vorsicht gilt bei umgestürzten Fichten als Folge regionaler Gewitter- bzw. Hagelstürme“, warnte Rauscher, „diese gilt es rasch aufzuarbeiten und aus dem Wald zu entfernen, um Brutmaterial für den Borkenkäfer zu vermeiden.“ In diesem Zusammenhang appellierte Rauscher an alle Waldbesitzer, auch jetzt noch nach Borkenkäfer Ausschau zu halten und schnellstmöglich zu handeln.
Das zweite forstliche Thema behandelte die Wiederaufforstung der wichtigen Schutzwälder mit klimatoleranten Baumarten. Wie Rauscher ausführte, soll auf den Schadflächen wieder ein Bergmischwald aus Fichte, Tanne, Buche, Bergahorn und Lärche entstehen. Aufgrund des Klimawandels sollte jedoch der Anteil der Fichten zugunsten der Tannen stark abnehmen. Auch hier erwartet Rauscher, dass aufgrund der aktuellen Verbisssituation ebenfalls Schutzmaßnahmen notwendig werden und die Stadt Bad Reichenhall trotz Förderung vom Freistaat Bayern vermutlich Geld in den Wald und somit in die Zukunft investieren müsse.
Oberbürgermeister Dr. Lung bedankte sich abschließend herzlich bei Stadtarchivar Dr. Lang und Stadtförster Rauscher für deren aufschlussreiche Ausführungen sowie für ihre engagierte Arbeit.

Über die kulturhistorische Bedeutung des Stadtwaldes referierte Stadtarchivar Dr. Johannes Lang am sogenannten „Schmierweg“ bei der gemeinsamen Begehung des Müllnerbergs mit Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung und dem Umweltreferenten Michael Nürbauer (v.l.), der die Begehung angeregt hatte.