Kurzer Abriss der Bad Reichenhaller Geschichte
Der Reichenhaller Raum bildet altes Siedlungs- und Kulturland. Seit der Bronzezeit (ca. 1.800 v. Chr.) ließen sich Menschen hier fest nieder, rodeten und kultivierten die Gegend. Im heutigen Ortsteil Karlstein, wo sich während der Mittleren Bronzezeit ein überregional bedeutsames Kultzentrum befand, lässt sich eine seither ununterbrochene Besiedelung feststellen, die vor allem in der keltischen Zeit zwischen etwa 150 und 15 v. Chr. eine besondere kulturelle Blüte hervorbrachte. Die Römer errichteten am Fuße des sogenannten Langackers eine dörfliche Ansiedlung und in Marzoll eine ansehnliche Villenanlage.
Die Salzvorkommen, die am sogenannten Gruttenstein als natürliche Solequellen ans Tageslicht treten, waren nachweislich seit dem Frühmittelalter – möglicher-weise aber bereits in vorchristlicher Zeit – bekannt und werden seither genutzt. Der Legende nach entdeckte der aus Worms stammende Glaubensbote St. Rupertus im Jahre 696 die in der Zeit der Völkerwanderung verschütteten Solequellen. Tatsache ist, dass um die Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert der Bayernherzog Theodo den hl. Rupertus, Begründer der Salzburger Kirche, mit einem Drittel der Reichenhaller Saline beschenkte. Dieser Übertragung verdankte das auf antiken Überresten neu entstehende Iuvavum seinen Aufstieg zu einer wirtschaftlichen und später auch politischen Macht und nicht zuletzt seinen Namen: Salzburg. Die wirtschaftliche Bedeutung Reichenhalls gründete bis hinauf in das Hochmittelalter auf der für einen weiten Teil Mitteleuropas geltenden Monopolstellung der hiesigen Saline. Die Salzsieder galten als die wirtschaftlich Mächtigsten des Landes.
In der Folgezeit schafften diese den gesellschaftlichen Aufstieg zu einem ausgeprägten Stadtpatriziat, dessen Repräsentanten adelsähnlichen und rittermäßigen Status erlangten und schließlich die Mitglieder des Stadtrats stellten. Im Jahre 1159 wird Reichenhall (Hall) urkundlich erstmals als "Stadt" (civitas) bezeichnet. Während des 12. Jahrhunderts befand sich die Stadt auf ihrem wirtschaftlichem und finanziellen Zenit, was sich in einer enormen Bautätigkeit (Basilika St. Zeno; Ägidi- und Nikolauskirche und Ummauerung der Stadt) noch heute widerspiegelt. Mit der Zerstörung der Stadt durch den Salzburger Erzbischof 1196 ging ein Monopolbruch einher, ausgelöst durch die Inbetriebnahme der Salinen von Berchtesgaden und vor allem Hallein. Zur namentlichen Unterscheidung vom neuen "kleinen Hall" (Hallein) setzte sich für die ältere Salzproduktionsstätte im Laufe des 14. Jahrhunderts die Bezeichnung reiches Hall (Reichenhall) durch.
In einem kriegerisch geführten Konflikt um die Vorherrschaft in Reichenhall zwischen dem Salzburger Metropoliten und dem Bayernherzog verstand es Letzterer, sich durchzusetzen. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert bildete Reichenhall ein herzoglich bayerisches Land- und Pfleggericht mit Sitz auf Burg Gruttenstein. Vorläufer des Pfelggerichts waren zwei Grafschaften gewesen, die Grafschaft Reichenhall sowie die Hallgrafschaft, die vermutlich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstanden waren und 1169/70 vorübergehend, 1218 endgültig vereinigt wurden. Im Verlauf des Spätmittelalters kristallisierten sich innerhalb des Pfleggerichts Reichenhall mehrere Niedergerichtsbezirke (sogenannte Hofmarken) heraus: Karlstein und Marzoll / Schwarzbach (beides Adelshofmarken) sowie Froschham-St. Zeno (Klosterhofmark). Außerdem gab es mit dem Tauerstein und Achselmannstein Edelmannssitze, die zeitweise mit der Niederen Gerichtsbarkeit ausgestattet waren.
Die im Besitz zahlreicher Siedeherren sich befindliche Saline von Reichenhall hatte seit dem Spätmittelalter aufgrund innerbetrieblicher Schwierigkeiten einen kontinuierlichen Niedergang zu verzeichnen und lief Gefahr, dauerhaft geschlossen zu werden. Im ausgehenden 15. Jahrhundert kaufte der Bayernherzog sämtliche Salzsiedeanlagen auf, modernisierte die Saline mit hohem Kostenaufwand (Solebrunnen, Grabenbach; Soleleitung; Forstreform) und sorgte dadurch für eine staatliche Monopolisierung des bayerischen Salzwesens. Die Stadtbevölkerung jener Zeit war zunftmäßig organisiert, wobei ein Großteil der Zünfte dem vielfältig spezialisierten Salinenbetrieb entstammte (z.B. "Vaher"; "Pfannhauser"; "Küfer"; "Pfannenflicker"; "Griesknechte"; "Perer").
Der vorindustrielle Charakter Reichenhalls in der Frühen Neuzeit und die damit verbundene tagtäglich betriebene Verfeuerung der Sole verursachten eine ständige Feuersgefahr, der die Stadt mehrfach und zur Gänze zum Opfer fiel. Als herzogliche bzw. kurfürstliche Grenzstadt gegen Salzburg blieb Reichenhall aber auch von kriegerischen Ereignissen nicht verschont. Das mittelalterliche Stadtgepräge - der Mauerring mit der darüber thronenden Burg, den zu ihren Füßen liegenden Kirchen und Kapellen, die im Mittelpunkt der Stadt befindliche Saline sowie der einstmals schiffbare Fluss Saalach - blieb bis zu einem verheerenden Stadtbrand 1834 erhalten. Der Wiederaufbau, der etwa Dreiviertel der alten Stadt betraf, erfolgte in großzügiger Art, beginnend mit der Neuerrichtung der Salinenanlage, womit König Ludwig I. herausragende Architekten (v. Gärtner, Ohlmüller) beauftragte. Der Abgleitung in eine verarmte Industriestadt entzog sich Reichenhall durch die erfolgreiche Etablierung von Kuranwendungen, mit denen 1846 durch eine Privatinitiative im "Curhaus Achselmannstein" begonnen wurde. Bereits 1786 waren in einem Bad im Ortsteil Kirchberg erstmals Solebäder verabreicht worden. Durch das Entstehen einer von zahlreichen Villengebäuden geprägten vornehmen "Bädervorstadt" änderte sich während der Gründerzeit das Gesicht Reichenhalls von einer reinen Salinenstadt hin zum international renommierten Kurbad. Dessen Beliebtheit als mondäner Treffpunkt der europäischen Hautevolee erreichte kurz vor dem Ersten Weltkrieg einen Höhepunkt, als das Kurbad mit den großen Bädern des Kontinents konkurrierte. Aus jener Zeit stammen die meisten der Jugendsstilvillen sowie Bade- und Kuranstalten. 1890 erlangte die Stadt durch königliche Verfügung denNamenszusatz "Bad". Seit 1899 ist Bad Reichenhall bayerisches Staatsbad.
Der Beginn des Ersten Weltkriegs im Juli 1914 bildete durch das Ausbleiben eines äußerst zahlungskräftigen Publikums die schmerzlichste Zäsur in der Geschichte des Kurortes Bad Reichenhall. Rege Bautätigkeit (Flughafen; Neue Saline; Predigtstuhl-Seilbahn; Kurmittelhaus; Städtisches Krankenhaus) sorgte ab der Mitte der 1920er-Jahre für einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt, die seit 1934 auch eine Kaserne der Gebirgsjäger beherbergt. Unter der nationalsozialistischen Regierung büßte Bad Reichenhall seinen einst hohen Anteil an internationalen Gästen (vor 1914 über 50 Prozent) zur Gänze ein und verlor damit sein mondänes Image. Während der letzten Kriegstage des Zweiten Weltkriegs wurde Bad Reichenhall wegen seiner Lage an der wichtigen Bahnlinie nach Berchtesgaden Ziel und Opfer eines alliierten Bombenangriffs, der neben zahlreichen Toten auch eine großflächige Zerstörung der Stadt forderte.
Dem Wiederaufbau der Stadt, deren Gemeindefläche bis 1978 durch die Eingemeindung der ehemals eigenständigen Gemeinden St. Zeno, Karlstein und Marzoll erheblich vergrößert werden konnte, folgte die Konsolidierung als modernes Heilbad. In einer über 150-jährigen Tradition hat es sich besonders bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen einen ausgezeichneten Ruf im Kreise der großen europäischen Badeorte erworben. Durch die Gesundheitsreform ist heute auch Bad Reichenhall vor neue Herausforderungen gestellt, sich als hervorragender Kurort sowohl mit besonderer medizinischer Kompetenz als auch mit einem reichhaltigen kulturellen Angebot für die Zukunft zu empfehlen.
Weiterführende Literatur:
- Johannes Lang, Geschichte von Bad Reichenhall, Neustadt/Aisch 2009
Detailinformationen zum Buch Geschichte von Bad Reichenhall265 KB
- Herbert Pfisterer, Bad Reichenhall in seiner bayerischen Geschichte, München 1988
PD Dr. Johannes Lang M.A., Stadtarchivar