Weniger Asphalt – mehr Grün
Stadtgärtner berichten über die Schaffung von Erholungsräumen
Dass die Bad Reichenhaller Stadtgärtner mit Vorliebe triste Flächen in bunte Blühwiesen verwandeln, um den Artenschutz und die Artenvielfalt in der Kurstadt zu fördern, ist bekannt. Dass sie sich auch verstärkt für die Entsiegelung von Flächen engagieren, darüber informierte Stadtgartenmeister Martin Haberlander vergangene Woche bei einem Ortstermin mit Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung am Beispiel Bahnhofstraße. Die Stadtgärtner nutzen die aktuelle Kanalbaumaßnahme dafür, Asphalt, Beton und Pflastersteine dort, wo möglich, durch Grün- und Freiflächen zu ersetzen, um die natürlichen Bodenfunktionen wiederherzustellen und gleichzeitig Orte der Erholung, der Naturerfahrung, des Wohlfühlens und Verweilens zu schaffen.
Stadtgrün fördert die Lebensqualität
Dass innerstädtisches Grün ein ganz besonders schützenswertes Gut ist, das es nicht nur zu erhalten, sondern auch weiterzuentwickeln gilt, darüber sind sich Oberbürgermeister und Stadtgartenmeister einig. Denn städtische Grün- und Freiflächen sind nicht nur schön anzusehen, sondern erfüllen eine Vielzahl an wichtigen Funktionen. Sie machen widerstandsfähiger gegen Hitze und Starkregen und wirken sich positiv auf die Luftqualität und das Stadtklima aus. Zudem leisten sie einen wichtigen Beitrag zu Gesundheit und Erholung und dienen als elementarer Wasserspeicher und Lebensraum für Pflanzen und Tiere.
Der Startschuss für die Planung zur Erweiterung der Grünflächen fiel bei einem gemeinsamen Rundgang des Stadtgartenamts mit Stadtbaumeister Thomas Knaus und dem Leiter des Sachgebiets Tiefbau Josef Kaltner im vergangenen Dezember, bei dem geeignete Flächen besichtigt und festgelegt wurden.
Oberbürgermeister Dr. Lung machte sich zunächst ein Bild über den Sachstand der Arbeiten im unteren Teil der kleinen Fußgängerzone in der Bahnhofstraße. Zuvor hatte ihn Tiefbauleiter Kaltner darüber informiert, dass die Kanalbaumaßnahme bis auf die restlichen Pflasterflächen entlang des Kurparks nun abgeschlossen sei. Für die Erneuerung der Beleuchtung und für einen weiteren Kanalschacht seien nochmals Aufgrabungen im Bereich des Treppenabgangs zum Kurgastzentrum notwendig. Die Restarbeiten dürften je nach Witterung bis Ostern fertig sein. Die Erneuerung der Fußgängerzonenbeleuchtung lasse allerdings noch etwas auf sich warten, da noch keine Zusage der Förderstelle zu einem vorgezogenen Maßnahmenbeginn vorliege.
Wurzeln brauchen Luft zum Atmen
Ganz besonders der kürzlich verstorbene ehemalige Stadtbaudirektor Helmut Jakob, nach dem auch die prägnanten Jakobsleuchten in der Fußgängerzone benannt wurden, hat sich bereits seit den 70er-Jahren für eine Begrünung der Stadt durch die Pflanzung möglichst vieler Bäume im Stadtgebiet eingesetzt, wie Haberlander erinnert. Ihm hat Bad Reichenhall den Ruf als „grüne Stadt“ zu verdanken und in dieser Tradition werden die öffentlichen Räume nun weiterentwickelt. Allerdings sind viele der Baumscheiben – die unversiegelten Bereiche rings um den Stamm – für bestimmte Bäume zu klein geworden. „Es hat sich herausgestellt, dass einige der Bäume sich nicht richtig entfalten können“, erklärt Haberlander. „Wurzeln brauchen Luft zum Atmen. Das ist der Grund, warum wir zum einen die Baumscheiben deutlich vergrößert haben und zudem strukturstabiles Baumsubstrat gegen die Bodenverdichtung verwenden. Zum anderen mussten wir drei der Tulpenbäume entfernen, zwei davon mit großen Stammschäden, um diese durch geeignetere zu ersetzen.“ Welche Bäume hierfür ausgewählt werden, wird mithilfe der Straßenbaumliste des Deutschen Städtetags (www.galk.de) bestimmt. Anhand einer Reihe von Faktoren kann prognostiziert werden, welche Baumarten grundsätzlich ein gesundes und kräftiges Wachstum am jeweiligen Platz erwarten lassen. Denn nicht jeder Standort ist für jeden Baum gleichermaßen gut geeignet, um gut anzuwachsen und zu gedeihen. Gesucht werden vor allem Gehölzarten, die eine hohe Trockenheitsresistenz und große Temperaturtoleranz besitzen.
Neben den klimatischen Gegebenheiten ist der Boden der wichtigste Faktor für einen Baumstandort. Dazu kommen noch andere Einflüsse wie mechanische Belastungen, durch Emissionen oder Tausalze. Gerade im Straßenraum kommt es oft vor, dass Wurzeln in Abwasserleitungen hineinwachsen oder Schäden durch angehobene Pflasterbeläge entstehen. Die Bäume entlang der Bahnhofstraße wurden eingehend untersucht, um entsprechende Probleme zu beheben und diesen künftig vorzubeugen. Drei Rosskastanien entlang des Königlichen Kurgartens, eine davon im Eigentum der Kur-GmbH, mussten – wie bereits berichtet – im Zuge der Tiefbaumaßnahmen und aufgrund von Stammschäden oberhalb des Kronenansatzes gefällt werden. In Abstimmung mit dem Umweltreferenten Michael Nürbauer werden in den nächsten Monaten drei Ersatzbäume gepflanzt. Die erste große 5 bis 6 Meter hohe Ersatzbepflanzung wird erfreulicherweise durch die Kur-GmbH übernommen und erfolgt witterungsbedingt im Februar / März. Verwendet werden sollen hierbei möglichst hohe Pflanzgrößen, damit das gestalterische Erscheinungsbild erhalten bleibt, wie Haberlander erklärt.
Akzente setzen
Im Rahmen der Tiefbaumaßnahmen der Reichenhaller Stadtwerke KU in der Bahnhofstraße wird neben dem Fernwärmenetz auch das Glasfasernetz ausgebaut. Gleichzeitig wird die Gelegenheit genutzt, das Trinkwassernetz sowie das Gashochdruck- und -niederdrucknetz zu sanieren, um die bestehende Infrastruktur auf den neuesten Stand der Technik zu bringen und künftigen Beeinträchtigungen im Verkehrsraum vorzubeugen. Im Zuge der Baumaßnahme konnte eine Fläche von ca. 300 qm entsiegelt werden, die durch die Stadtgärtnerei nun mit Stauden und Sträuchern bepflanzt wird, wie Haberlander erfreut berichtet. Zusätzlich werden ca. 90 qm Grünfläche aus altem Bestand neugestaltet. „Wenn Besucher am Reichenhaller Bahnhof ankommen, nehmen sie meist den Weg durch die untere Fußgängerzone in die Stadt“, erinnert er, „das ist somit der erste Eindruck und quasi unsere Visitenkarte.“ Deshalb liegt es den Stadtgärtnern besonders am Herzen, für die Gäste der Alpenstadt, wie auch für die Einheimischen einen einladenden, freundlichen und belebenden Wohlfühlort zum Verweilen zu schaffen.
Oberbürgermeister Dr. Lung schätzt die besonderen Akzente, die die Stadtgärtner zur Aufwertung der kleinen Fußgängerzone wie auch an zahlreichen anderen Orten im Stadtgebiet setzen, und den wichtigen Beitrag, den sie damit zur Verbesserung der Lebensqualität und des Stadtklimas leisten: „Das ist ganz im Sinne einer gesundheitsfördernden Stadtentwicklung und ganz im Sinne des Atemkurorts Bad Reichenhall.“
Solch ein besonderer Akzent ist auch für den Platz rund um den Dreher-Brunnen geplant. Details hierzu lässt sich Haberlander allerdings noch nicht entlocken. „Das wird eine Überraschung“, macht er neugierig.
Kein Geheimnis sind aber die guten Nachrichten, dass nach jetzigem Stand sämtliche Bäume im oberen Teil der Bahnhofstraße entlang des Ortenauparks bewahrt werden können. Die markanten Kastanien zwischen Sparkasse und Liebigstraße konnten aufgrund der guten Zusammenarbeit und engen Abstimmung von Stadtwerken, städtischem Tiefbau, Stadtgärtnerei und der Baufirma Neubauer erhalten werden. In diesem Zusammenhang betont Haberlander, wie wichtig eine sorgfältige Vorplanung im Sinne der DIN-Norm „Baumschutz auf Baustellen“ ist. „Bereits im Vorfeld des Tiefbauvorhabens wurden entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen, um Baumschäden rechtzeitig vorzubeugen“, erklärt Haberlander. „Dies erfolgte zum Beispiel durch den Einsatz von Saugbaggern, die das Wurzelwerk mithilfe eines Rüssels orten und freilegen, oder teils auch durch Wurzelsuchgräben, um den genauen Wurzelverlauf festzustellen und dies in die Planungen einfließen zu lassen.“
Zum Abschluss überzeugte sich Oberbürgermeister Dr. Lung davon, dass auch die prägnantesten Bäume am Ende der Straße, die drei großen Platanen, entsprechend geschützt wurden, und zeigte sich erfreut darüber, dass alle Beteiligten größtes Augenmaß haben walten lassen: „Es sind wirklich gute Nachrichten, dass die Bäume im oberen Teil der Bahnhofstraße allesamt erhalten und im unteren Teil einladende, klimafreundliche Erholungsflächen geschaffen werden können.“